Fehlgeburt verstehen: Ursachen, Häufigkeit und Wege der Verarbeitung

Ein Paar liegt nebeneinander auf dem Rücken auf dem Bett und schaut nachdenklich in die Ferne. Die Frau fasst sich an den Bauch und der Mann hält mit seiner Hand beschützend  ihren Kopf.

Fehlgeburten sind ein Thema, das tief berührt und viele betrifft. In der Schweiz erlebt gemäss der Pro Juventute jede 5. Frau diesen Verlust. Warum kommt es dazu? Und was hilft, die Fehlgeburt zu verarbeiten?

Viele Schwangerschaften enden in einer Fehlgeburt

Über Fehlgeburten spricht kaum jemand, obwohl sie so häufig vorkommen. Schätzungsweise enden 10-15% der medizinisch festgestellten Schwangerschaften als Fehlgeburt, was etwa 23 Millionen Fehlgeburten pro Jahr weltweit entspricht. Es gibt auch Schwangerschaften, die sich nur im Labor nachweisen lassen und von der Frau gar nie bemerkt werden.

Häufige Fragen zum Thema Fehlgeburt

In der Frühschwangerschaft kann es zu Fehlentwicklungen des Embryos kommen, die nicht mit dem Leben vereinbar sind. Der Körper reagiert darauf mit einer Fehlgeburt. Es können auch schwere Erkrankungen der Frau, Fehlbildungen der Gebärmutter oder Infektionen zu einer Frühgeburt führen. Nicht selten kann aber keine eindeutige Ursache festgestellt werden.

Ein Warnsignal sind Blutungen. Diese sollten Sie zu jedem Zeitpunkt in der Schwangerschaft ernst nehmen und durch Ihre Gynäkologin oder Ihren Gynäkologen abklären lassen. Dies gilt ebenso für krampfartige Unterbauchschmerzen.

Die Kosten für die Behandlung einer frühen Fehlgeburt (innerhalb der ersten zwölf Wochen) werden von der Grundversicherung als Krankheitsbehandlung getragen, wobei die Franchise und der Selbstbehalt zulasten der Frau fallen. Ab der 13. Schwangerschaftswoche, für die Geburt und bis acht Wochen danach trägt die Grundversicherung vollumfänglich die Kosten.

Nach einer frühen Fehlgeburt (innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen) können Frauen ohne Zeitverzögerung nach der Fehlgeburt wieder schwanger werden, wenn es keine individuellen Gründe gibt, die dagegensprechen.

Bei einer Fehlgeburt nach der 12.Schwangerschaftswoche sollte die nächste Periode abgewartet werden.

Eine einmalige Fehlgeburt bedeutet nicht, dass Sie weitere Aborte zu befürchten haben. Die meisten Frauen erleben nach einer Fehlgeburt eine erfolgreiche Schwangerschaft. Ein allfälliges Wiederholungsrisiko ist abhängig von der Ursache, die zur Fehlgeburt führte.

Bei einer Fehlgeburt bis zur 12. Schwangerschaftswoche spricht man von einem Frühabort. Die meisten Fehlgeburten (schätzungsweise 80%) ereignen sich in dieser Zeit. Das Risiko ist zu Beginn am höchsten und sinkt mit jeder Woche, wobei nach der 12. Woche das Risiko deutlich abnimmt.

Tritt eine Fehlgeburt vor dem Beginn der 13. bis 24. Schwangerschaftswoche auf, spricht man von einem Spätabort. Spätere Fehlgeburten oder wenn das Kind mehr als 500 Gramm wiegt, gelten als Totgeburt (stille Geburt).

Fehlgeburt verarbeiten

Im Moment der Diagnose einer Fehlgeburt kann für Eltern die Welt zusammenbrechen. Viele erleben den Moment als grossen Schock und fühlen sich betäubt, leer – wie im Nebel. Es kommt eine tiefe, schwere Trauer auf, die schwer zu verarbeiten ist.

Vielen hilft es, dem Kind einen Platz im eigenen Leben zu geben, auch wenn es nicht bleiben konnte.

Betroffene Frauen sollen sich Zeit geben, damit sie selbstbestimmt den weiteren Weg gehen können.
Anna Margareta Neff, Leiterin Fachstelle Kindsverlust Schweiz

Zeit für Trauer und Verbindung

Sich Zeit nehmen ist für viele wichtig in diesem Moment. Zeit, um zu spüren, zu begreifen und in ihrem eigenen Tempo Abschied zu finden. Rituale wie beispielsweise die Bestattung können helfen, die Beziehung zum Kind zu würdigen und Trost in der bleibenden Verbindung zu finden.

Erfahrungsbericht

Nathalie und Isaac haben ihre beiden Zwillinge im fünften Schwangerschaftsmonat verloren. Wie eine spezialisierte Hebamme ihre enorme Trauer aufgefangen hat, und wie sie mit der Fehlgeburt Frieden schliessen konnten.

Nathalie und Isaac erzählen von ihrer Fehlgeburt

Nathalie und Isaac erzählen offen, wie sie als Paar mit dem Schmerz umgegangen sind, was ihnen geholfen hat und wie unterschiedlich sie als Frau und Mann den Verlust wahrgenommen haben.
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Den richtigen Weg finden – Expertin erklärt

Es ist zentral, dass die Eltern über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten – körperliche wie auch seelische – nach einer Fehlgeburt aufgeklärt werden. «Nur so kann die Frau selbst entscheiden, welches ihr Weg ist», sagt Anna Margareta Neff, Leiterin der Fachstelle Kindsverlust Schweiz.

Verarbeitungsprozess nach einer Fehlgeburt

Die Hebamme und Trauerbegleiterin erklärt, wie die Geburt, Andenken und Unterstützung den Verabeitungsprozess fördern – auch für eine nächste Schwangerschaft.
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Unterstützung finden

Eltern können bei frühem Verlust ihres Kindes bei verschiedenen Personen und Institutionen Unterstützung finden:

  • Hebamme als erste Ansprechpartnerin
  • Gesprächsgruppen für Mütter und Väter eines früh verstorbenen Kindes
  • Rückbildungsangebote für Mütter nach einem Kindsverlust
  • Austausch mit anderen, betroffenen Eltern
  • Trauerbegleitung oder seelsorgerische Betreuung in einer Klinik
  • Sozialdienst bei rechtlichen oder finanziellen Fragen
  • Beratung bei dem Kompetenzzentrum für Unterstützung beim Tod eines Kindes in der Schwangerschaft, während der Geburt oder in der ersten Lebenszeit

Körperliche Erholung nach der Fehlgeburt

Der Körper kann sich nach einem Abort in vielen Fällen relativ schnell erholen. Je nach Schwangerschaftsstadium dauert dies einige Wochen bis zu einem Monat dauern. Neben der körperlichen Erholung ist es jedoch genauso wichtig, die Fehlgeburt emotional zu verarbeiten.

Gründe einer Fehlgeburt

Je nach Zeitpunkt der Fehlgeburt, können die Ursachen sehr unterschiedlich sein. In den ersten 12 Schwangerschaftswochen ist die häufigste Ursache Fehler im Erbgut, sogenannten Chromosomenanomalien. Das macht eine normale Entwicklung des Embryos unmöglich.

Neben diesen genetischen Ursachen können aber auch andere Einflüsse eine Rolle spielen. Häufig liegt eine Kombination von mehreren Faktoren vor:

  • Fehlbildungen der Gebärmutter oder Myome, welche die Einnistung der befruchteten Eizelle verhindern
  • Infektionen z.B. des Gebärmutterhalses, der Gebärmutterschleimhaut oder der Plazenta
  • Erkrankungen wie Diabetes, Schilddrüsenüberfunktion oder Schilddrüsenunterfunktion
  • Blutgerinnungsstörungen
  • Schädliche Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Alkohol und Drogen
  • Alter der Mutter: Generell sind Fehlgeburten bei älteren Frauen wahrscheinlicher
  • Schädigungen der Spermien-DNA, etwa durch Alter, Rauchen oder Umweltgifte

Kein persönliches Versagen, sondern ein häufiges Schicksal

In vielen Fällen lässt sich keine eindeutige Ursache finden und die Fehlgeburt hätte nicht verhindert werden können. Eine Fehlgeburt bedeutet keinen persönlichen Fehler und kein Versagen. Sie ist ein schmerzhaftes, aber häufiges Ereignis, das viele Frauen und Paare erleben.

Fehlgeburt durch Koffein?

Koffein kann laut Studien ab mehr als etwa 2 Tassen Kaffee am Tag das Risiko für Fehlgeburten erhöhen, allerdings ist der Zusammenhang wissenschaftlich komplex und in Fachkreisen nach wie vor umstritten.

Was keine Fehlgeburt auslöst

Viele Frauen fragen sich nach einer Fehlgeburt, ob sie etwas «falsch» gemacht haben, ob eine bestimmte Handlung, eine Tasse Kaffee oder eine schwere Tasche die Ursache gewesen sein könnten. Solche Gedanken sind verständlich und es existieren auch zahlreiche Mythen, wodurch eine Fehlgeburt ausgelöst werden kann.

Doch die meisten dieser Vorstellungen lassen sich medizinisch widerlegen:

  1. Falsche Bewegung oder körperliche Aktivität: Normale Bewegung, Sport in der Schwangerschaft oder eine unbedachte Drehung führen nicht zu einer Fehlgeburt.
  2. Erkältung: Eine gewöhnliche Erkältung mit Schnupfen ist harmlos.
  3. Alltagstätigkeiten: Einkäufe oder Hausarbeit sind unproblematisch.
  4. Zu wenig Essen oder Trinken: Vorübergehende Appetitlosigkeit ist unbedenklich. Eine ausgeprägte Mangelernährung ist jedoch riskant.
  5. Scharfes Essen: Scharf gewürzte Speisen wirken sich nicht auf die Schwangerschaft aus.

Grundsätzlich sollte man in der Schwangerschaft auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung achten.

Anzeichen eines Frühaborts und Spätaborts

Fehlgeburten innerhalb der ersten 4 Wochen finden nicht selten unbemerkt statt. In diesem Zeitraum wissen viele Frauen nicht, dass sie schwanger sind. Symptome einer Fehlgeburt können deshalb mit den Symptomen der Menstruation verwechselt werden. Umgekehrt bedeuten diese Symptome aber nicht, dass es zu einer Fehlgeburt kommen muss.

Bei einer Fehlgeburt bis zur vollendeten 12. Schwangerschaftswoche sind diese Anzeichen typisch:

  • Vaginale Blutungen
  • Krampfartige Unterbauchschmerzen

Warnsignale einer Fehlgeburt in der fortgeschrittenen Schwangerschaft sind:

  • Nachlassende oder ausbleibende Kindsbewegungen
  • Vorzeitige Wehen
  • Abgang von Fruchtwasser
  • Blutungen

Verhaltene Fehlgeburt

Eine Fehlgeburt ohne Beschwerden oder Blutungen, die meistens in den ersten 12. Schwangerschaftswoche passiert, nennt man eine verhaltene Fehlgeburt. Diese bleibt häufig von der Frau unbemerkt und wird von einer medizinische Fachperson im Rahmen einer Kontrolluntersuchung festgestellt.

Blutungen und Schmerzen abklären lassen?

In der Schwangerschaft sollten Sie die folgenden Symptome immer durch Ihre Gynäkologin oder Ihren Gynäkologen sofort abklären lassen:

  • Blutung ist stärker oder genauso stark wie bei Ihrer Menstruation
  • Schmerzen im Unterleib, im Rücken oder im Kreuz

Kann man eine Fehlgeburt verhindern?

Es gibt kein Patentrezept, mit dem Sie eine Fehlgeburt verhindern können. Es gibt gewisse Massnahmen, um das Risiko zu reduzieren. Aber auch wenn diese Massnahmen das Risiko senken können, gibt es leider keine Garantie. Eine Fehlgeburt ist meist nicht selbstverschuldet und Frauen machen in aller Regel nichts falsch. Was helfen kann:

  • Vorgesehene Schwangerschaftsuntersuchungen wahrnehmen
  • Gesunde und ausgewogene Ernährung
  • Verzicht auf Zigaretten, Alkohol und Drogen
  • Leichte sportliche Betätigung wie längere Spaziergänge, Schwimmen oder Yoga

Medizinische Behandlung bei einem Abort

Welche medizinische Behandlung gewählt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab wie z. B dem Zeitpunkt in der Schwangerschaft oder ob eine starke Blutung vorliegt. Unter Umständen kann eine Operation nötig sein.

Abwarten

Beim abwartenden Vorgehen wird während 4 Wochen abgewartet, ob es zu einem natürlichen Abgang des Schwangerschaftsgewebes kommt. Es finden viele, regelmässige Kontrolluntersuchungen statt. Bei starkem Blutverlust oder bei einem Infekt sollte sofort ein Gynökologe oder eine Gynökologin aufgesucht werden. Gegebenenfalls kommt es zu einer operativen Behandlung.

Operation

Bei der operativen Therapie wird das Schwangerschaftsgewebe abgesaugt. Dieser Eingriff ist gebärmutterschonend und kann meist ambulant durchgeführt werden.

Medikamente

Die Ausstossung des Schwangerschaftsgewebes kann medikamentös unterstützt werden, beispielsweise mit Misoprostol. Sollte es zu verstärkter Blutung kommen, ist es wichtig, sofort einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen.

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