Essstörungen: Tipps für den Umgang mit Betroffenen

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Sina Rellstab und Tamara Weber litten beide an einer Essstörung. Im Podcast erzählen sie, wie sich Anorexie und Bulimie anfühlen. Wie erkennt man jedoch eine Essstörung von aussen? Und wie sollen Angehörige mit Betroffenen umgehen?

Welche Arten von Essstörungen gibt es?

Essen ist eigentlich etwas vom Natürlichsten. Es liefert dem Körper Energie für das Leben. Für Sina Rellstab und Tamara Weber war Essen während langer Zeit jedoch nichts Normales. «In der schlimmsten Phase habe ich täglich 5 bis 6 Mal erbrochen», sagt Sina Rellstab, die mit 23 Jahren an Bulimie erkrankte, einer Ess-Brech-Sucht. Auch Tamara Weber hatte ein krankhaftes Essverhalten. Während 20 Jahren litt sie an Anorexie. Heute begleitet sie Erkrankte im Bereich Essstörungen und unterstützt Angehörige.

Binge-Eating: wenn Essattacken zum Problem werden

Neben Anorexie und Bulimie zählt die Binge-Eating-Störung ebenfalls zu den häufigsten Essstörungen. Bei dieser verschlingen Betroffene zwanghaft sehr grosse Mengen an Essen, ohne danach zu erbrechen oder übermässig Sport zu treiben. «Bei allen 3 Essstörungen haben die Betroffenen ein gestörtes Körperbild und denken ständig übers Essen nach», erklärt Tamara Weber.

Häufigste Arten einer Essstörung
  • Bulimie: Ist gekennzeichnet durch Essanfälle und nachfolgendes Entgegenwirken einer Gewichtszunahme durch Erbrechen.
  • Anorexie (auch Magersucht): Essstörung, die durch eine selbst herbeigeführte Gewichtsreduktion und / oder Untergewicht entsteht.
  • Binge-Eating: Bei dieser Essstörung kommt es zu unkontrollierbaren Essanfällen mit übermässiger Nahrungsaufnahme.

So fühlt sich eine Essstörung an

«Erbrechen war wie eine Befreiung für mich. Nachdem ich erbrochen hatte, fühlte ich mich besser», sagt Sina Rellstab. Nachdem sie in der Pubertät weibliche Rundungen bekommen hatte, fühlte sie sich ständig als «zu viel». «Es kam mir vor, als würde ich zu viel Raum einnehmen.» Die Bulimie entwickelte sie als Ventil für ihren inneren Stress.

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Was Sina Rellstab aus der Bulimie geholfen hat und warum manchmal eine Umarmung von den Angehörigen besser ist als übereifriger Aktivismus.
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Endgegener: negative Gedanken

Auch Tamara Weber litt unter kreisenden Gedanken rund um ihre Figur. Oft hört sie von Patientinnen und Patienten mit Anorexie: «Eigentlich ist meine Essstörung meine beste Freundin. Denn sie ist das Einzige, was ich habe. Aber gleichzeitig ist sie das, was mich umbringt.»

Solche Gedanken sind typisch für Menschen mit einer Essstörung. Doch wie erkennen Angehörige, dass jemand innerlich so sehr leidet?

Mögliche Anzeichen einer Essstörung

Am Anfang einer Essstörung steht oft eine Diät. «Menschen, die eine Essstörung entwickeln, halten sich an bestimmte Rituale, lassen Mahlzeiten weg oder trinken sehr viel, um ihr Hungergefühl zu unterbinden», sagt Tamara Weber. «Zudem verschliessen sich Betroffene immer mehr vor sozialen Kontakten.» Ein weiteres Anzeichen sei das abnehmende Leistungsvermögen.

Harmlose Situationen mit fatalen Folgen – Expertin Tamara klärt auf

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Wie Angehörige helfen können

Einer der wichtigsten Tipps für Angehörige ist es, einen Dialog mit der betroffenen Person zu suchen. «Dabei hilft es, immer aus der Ich-Perspektive zu sprechen», rät Tamara Weber. Ein Beispiel für eine solche Formulierung sei: «Ich beobachte, dass du seit Längerem nicht mehr so Appetit hast. Ich mache mir Sorgen.»

Umso mehr man Druck aufbaue, umso mehr rebelliere es im Inneren der betroffenen Person, sagt Tamara Weber. Sina Rellstab ergänzt: «Schlussendlich hilft es viel mehr zu sagen: Wir schaffen das gemeinsam.»

So schwierig es auch sein mag, es ist wichtig, die betroffene Person nicht zu drängen und Kontrolle übernehmen zu wollen.
Tamara Weber, Fachexpertin im Bereich Essstörungen
So kann ich Betroffene unterstützen
  • Dialog suchen & Sorge aussprechen
  • Gespräch in 'Ich-Botschaften' formulieren
  • Verständnis zeigen

Auch Männer betroffen

Essstörungen kommen bei Frauen und Mädchen deutlich häufiger vor als bei Männern und Jungen. Deshalb werden Essstörungen als «typisch weiblich» betrachtet. Dieses Stigma kann dazu führen, dass eine Essstörung bei männlichen Betroffenen von Angehörigen und Ärzten häufig übersehen oder erst sehr spät bemerkt wird. Zudem zeigen sich Essstörungen bei Männern meist anders als bei Frauen: Während Frauen mit Essstörungen ihren Körper tendenziell kleiner machen wollen, wollen Männer in der Regel muskulöser und kräftiger wirken.

Muskelorientierte Essstörungen

Essstörungen bei Männern und Jungen treten häufig in Zusammenhang mit körperlichem Krafttraining auf. Eine starke Muskelorientierung steht dabei im Zentrum. Die Betroffenen streben nach einem übermässig muskulösen Körper mit geringstmöglichem Fettanteil. Um dieses Ziel zu erreichen, halten sich Betroffene an strenge Ernährungs- und Trainingspläne, hungern oder erbrechen, verwenden Steroide oder konsumieren Nahrungsergänzungsmittel, die auf den Muskelaufbau aufgerichtet sind. Damit verknüpft ist die sogenannte Muskeldysmorphie. Das ist ein gestörtes Selbstbild, bei dem den Betroffenen die Ausprägung der eigenen Muskulatur als nie ausreichend erscheint.

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