Intuitives Essen: Neue Freiheit auf dem Teller?
Intuitiv essen ist der neueste Ernährungstrend. Die wichtigste Botschaft dabei lautet: Nur aufs eigene Bauchgefühl hören. Aber das will erst einmal gelernt sein.
Grundsätze
Die Grundsätze der intuitiven Ernährung klingen einleuchtend:
- Essen Sie nur, wenn Sie Hunger haben.
- Essen Sie nur, worauf Sie Lust haben und was Ihnen schmeckt.
- Achten Sie auf gute Verträglichkeit und Bekömmlichkeit.
- Geben Sie sich Zeit (gerade am Anfang).
- Wiegen Sie nichts ab, lesen Sie nicht in Kalorientabellen.
- Lernen Sie, wieder satt zu sein.
- Keine Lebensmittel sind verboten. Alles ist erlaubt.
- Lassen Sie sich von unbekannten Genüssen inspirieren.
Wer so isst, versprechen Vertreter des intuitiven Essens, ist zufriedener und gewinnt mehr Lebensqualität. Und mehr Freiheit, weil man Ernährungsvorschriften und Verzichtsregeln über Bord wirft und sich nicht länger diktieren lässt, was auf dem eigenen Teller liegen darf und was nicht. Der beste Ratgeber sei schliesslich noch immer der eigene Körper, sagt der für seine provokativen Thesen bekannte Ernährungswissenschaftler Uwe Knop.
Wer - ausser Ihrem Organismus - kann wissen, welche Nährstoffe Sie wann benötigen und welches Essen gut, verträglich und gesund für Sie ist?
Schluss mit alten Gewohnheiten
Sich an den eigenen Körpersignalen orientieren – die Idee ist im Grundsatz gut, sagt Ewa Heimerdinger vom Ernährungsprogramm mycoach. «Jeder Mensch hat seinen einzigartigen Essrhythmus und sollte auf sein Hunger- und Sättigungsgefühl achten.» Dies aber müsse oft erst (wieder) erlernt werden. Lebensmittel sind heute immer und überall verfügbar, und gegessen wird auch aus Langeweile und Frust. Zudem ist das Gefühl, satt zu sein, oft verfälscht, weil nebenbei etwas hinuntergeschlungen wird. Intuitive Ernährung heisst deshalb zuerst, alte Gewohnheiten abstreifen und seine Wahrnehmung schärfen.
Achtsamkeitsübungen
Laut des deutschen Bundezentrums für Ernährung (BZfE) können dabei ein paar Achtsamkeitsübungen helfen:
- Ablenkungen durch Zeitung, Smartphone oder Radio vermeiden.
- Vor dem Essen dreimal tief durchatmen.
- Kleine Portionen nehmen.
- Auf Geruch und Aussehen der Speisen achten.
- Den ersten Bissen mit allen Sinnen wahrnehmen.
- Das Besteck immer wieder zur Seite legen.
- Jeden Bissen gründlich kauen.
- In den Körper hineinspüren, wie er sich anfühlt.
Merken, ob man wirklich hungrig und wann man satt ist – achtsam speisen kann dabei helfen. Es sagt nach Angaben des BZfE aber wenig über die Auswahl von Lebensmitteln aus. Das aufzutischen, was schmeckt, sei nur dann eine gute Richtschnur, wenn jemand aus der ganzen Geschmacksvielfalt frischer und natürlicher Nahrungsmittel schöpfe – und seine Auswahl nicht auf Fertiggerichte oder Fastfood beschränke. Empfehlungen wie jene aus Lebensmittelpyramiden seien dabei nicht als Gebote, sondern als Orientierungshilfe gedacht.
Lust- und genussvolle Mahlzeit
Ewa Heimerdinger ergänzt: «Vielfalt heisst nicht, dass wir jede Sorte von Gemüse lieben oder jeden Tag etwas komplett Neues essen sollen.» Es geht darum, nach eigenen Vorlieben mit Varianten zu spielen und damit aus jeder Mahlzeit ein genussvolles Erlebnis ohne Verbote zu machen. Wer dabei intuitiv Lust auf ein Stück Kuchen oder Schokolade hat: nur zu.
Besser als eine Diät?
Intuitives Essen ist möglichweise ein Ansatz zur Gewichtskontrolle. Allerdings gibt es keinen Unterschied zu herkömmlichen Diätprogrammen. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der Universität Zürich in einer Meta-Analyse. Weitere Studien seien nun notwendig, um klarere Aussagen treffen zu können, beispielsweise über Langzeiteffekte. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop hingegen warnt vor falschen Erwartungen: Abnehmen sei beim intuitiven Essen genauso möglich wie eine leichte Gewichtszunahme. Für wahrscheinlich hält er, dass sich das persönliche Wohlfühlgewicht einstellt – «und das völlig frei von Diätstress».